Verbindungen

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Hinweis des Administrators: Diese Seite stammt noch aus Zeiten vor Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft in Baden-Württemberg. Der heutige StuRa hat sich zu Verbindungen noch nicht geäußert.


Über Wohnungsangebote dieser Ausrichtung kommen viele Studis erstmals in Kontakt mit den konservativen Bundesbrüdern an der Uni. Wer eines der zahlreichen Billigangebote der Verbindungen für ein Zimmer annimmt, wird in der Regel nach Ablauf eines Semesters ersucht, am Verbindungsleben aktiv teilzunehmen, andernfalls winkt die Kündigung. Wer dabei bleibt, sollte sich auf einiges gefasst machen. Es war eben schon immer etwas Besonderes, ein Bursche zu sein. Wer mitmachen will, sollte dem "Schlagen" (bzw. Fechten) und exzessivem Alkoholgenuß (den verbindungsinternen Saufgelagen bzw. "Kommersen") nicht abgeneigt sein.


Es gibt vier Begriffe, die man im Zusammenhang mit Verbindungen kennen sollte, jedoch legen sie keine exakten Grenzen fest.


  • Farbentragende Burschenschaften haben eine meist symbolische Uniform in bestimmten Farben. Sie müssen sich im Regelfall strikten Beschränkungen unterwerfen, z.B. bei der Auswahl ihrer Mitglieder.
  • Corps sind meist farbentragend und immer eine schlagende Gruppierung, d.h. sie veranstalten Mensuren, das sind Fechtduelle nach strengen Regeln. Das Ziel dieser Duelle ist es, dem Gegner eine Verletzung im Gesicht zuzufügen, den sogenannten Schmiss. Viele Corps nehmen keine Zivis als Mitglieder auf.
  • Konfessionelle Verbindungen haben einen kirchlichen Hintergrund, nehmen häufig auch Ausländer und Zivis auf.
  • Nichtkonfessionelle Verbindungen haben vielleicht das breiteste Spektrum. Dabei gibt es solche, die beide Geschlechter aufnehmen (die übrigen Verbindungen nehmen eben nur Burschis).

Neben den unter Corps erwähnten Mensuren sind ein weiterer Bestandteil im Gruppenleben vieler Verbindungen die Kommerse, nach strengen Regeln ablaufende Saufgelage im Verbindungshaus. Dort werden Korpsgeist und hierarchisches Denken eingeschleift.


Als "Fux" ist der beginnende Bursche auf dem Kommers für den Biernachschub zuständig. Der Bursche kann seinen Leibfux jederzeit zum sogenannten "Restweg" zwingen, ihn sein Glas leertrinken lassen. Dadurch wird sichergestellt, dass kein Fux seinen Fuxmajor unter den Tisch trinken und so das hierarchische Gefüge durcheinandergeraten kann. Hat der Einsteiger diese Phase der Erniedrigungen überstanden, so ist er zum waschechten Burschenschafter avanciert. "Das Trinken und Nichttrinken, das Sitzen, Stehen, Sprechen oder Singen hing meistens nicht von ihm selbst ab. Alles ward laut kommandiert, und wenn man es richtig befolgte, lebte man mit sich und der Welt in Frieden," schreibt Heinrich Mann 1918 in "Der Untertan" über einen solchen Abend.


Das politische Weltbild, das den Burschen auf politischen Veranstaltungen von Referenten vermittelt wird, birgt oftmals nationalistisches Gedankengut. Die Verbrechen des Nationalsozialismus werden relativiert, großdeutsche Träume neu geträumt. Das Gebiet der einverleibten DDR gilt nach offizieller Sprachregelung als "Mitteldeutschland". Und nebenbei für einige auch als gefundenes Fressen für eine Ausdehnung der Burschenschaften Richtung Osten. Zum 175. Jahrestag des Wartburgfestes von 1817, das als Beginn der burschenschaftlichen Bewegung gefeiert wird, wurde 1992 eine großangelegte Burschenprozession im Osten veranstaltet. Der "Deutsche Burschentag" (DB), der wichtigste Dachverband der Verbindungen, fordert seit Jahrzehnten kontinuierlich "die Rückgabe der deutschen Ostgebiete unter Beachtung des Rechts auf Selbstbestimmung und Heimat". Einer alten Forderung des DB zufolge sollen die Deutschland-Karten in den Schulen die alten Ostgebiete wieder als Teil Deutschlands verzeichnen. Von den Staaten Osteuropas verlangt der DB Wiedergutmachungen für im Zweiten Weltkrieg begangene Kriegsverbrechen. Zur Ausländerpolitik verlautet 1984 aus Landau: "Die DB fordert die Bundesregierung auf, unverzüglich ein Konzept zu entwickeln und zu realisieren, das die Deutschen auf dem Territorium der heutigen Bundesrepublik Deutschland auch langfristig vor Überfremdung schützt. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Bundesrepublik Deutschland ein deutscher Staat bleibt." Deshalb propagiert der DB eine national orientierte Familienplanung, die deutschen Nachwuchs fördern soll.


Von Anfang an - seit dem Wartburgfest - stand für die burschenschaftliche Bewegung die nationale Frage im Mittelpunkt. Ein antidemokratisches, antisozialistisches Denken in Verbindung mit antisemitischen Tendenzen ließ sie schon in den Zwanziger Jahren dem "Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund" nahestehen und mit diesem inhaltlich zusammenarbeiten. Bei der Machtübergabe an die Faschisten 1933 überwog im Burschen-Lager die begeisterte Zustimmung zur neuen Regierung. An der Bücherverbrennung - ohnehin schon von 1817 her Burschentradition - waren 1933 etliche Verbindungen beteiligt. Da die Verbindungen mehrheitlich als Stütze Nazideutschlands fungierten, ließen die Allierten sie genauso wie die NSDAP nach dem Krieg verbieten.


Doch nur wenige Jahre später durften sie in Westdeutschland wieder antreten, weil der von ihnen vertretene Antikommunismus auch den Westalliierten zupass kam. Um 1960 waren etwa 30% der Studierenden in Verbindungen organisiert. Der Umschwung kam mit der Studentenrevolte, die auf die Burschenschaften einen gewissen Anpassungsdruck ausübte. In der Folge gehören heute nur noch weniger als 1% der Studierenden zu den Verbindungsmitgliedern - in Heidelberg sind es allerdings 5% der Männer! Doch fügt sich das in den Verbindungen gepflegte chauvinistische Weltbild gut zum konservativen Backlash der Jahre nach der "Wende" (der von 1982 wie von 1989).


Auch in Heidelberg verschreiben sich gegenwärtig so skurrile Bünde wie die Hochschulgruppe "Freiheit der Andersdenkenden" - den Burschenschaften nahestehend - dem hehren Ziel, dem letzten Refugium des 'Sozialismus' (in der gesellschaftlichen Nische der Hochschule) mit aller Kraft zu wehren. Nicht wenige dieser Burschenschafter wie der stadtbekannte Rechtsextremist W. Unold zählen zu den weltanschaulichen Bundesbrüdern der brandstiftenden Ausländerhasser, die in den 90ern wieder mit Feuer und Flamme für Deutschland mordeten.


Der billige Wohnraum, Geselligkeit und die lebenslangen Freundschaften lassen auch heute manchen Studi Unterschlupf bei Burschenschaften suchen. Doch nicht nur die Folklore verkauft sich wieder gut, ein weiteres leisten die günstigen Connections zu Wirtschaft, Politik, Verwaltung, die die "Alten Herren" - ehemalige Verbindungsstudenten - ihren politischen Zöglingen gewährleisten. Ohne sie wären auch die teuren Verbindungsvillen in den besten Gegenden Heidelbergs kaum zu finanzieren. Viele findet man in gesellschaftlichen Schlüsselpositionen wieder. Das Who's Who der Alten Herren enthält manch vertrauten Namen aus der rechtskonservativen Ecke: Manfred Kanther, Rudolf Seiters, Alfred Dregger, Alexander von Stahl, Franz-Josef Strauß, Hanns-Martin Schleyer u.a. Elitebildung ist eine zentrale Funktion der Burschenschaften. Verbindungsstudenten unterwerfen sich ein Leben lang dem "Lebensbundprinzip", das den einst genossenen Protektionismus an die nächste Generation von Burschen weiterreicht. Beim Übergang ins Berufsleben sind die Verbindungen zu den Altvorderen ebenfalls sehr nützlich - keine schlechte Aussicht bei zunehmender Akademikerarbeitslosigkeit.


Doch - man höre und staune - mittlerweile wird die Politik des DB sogar manchem liberaler denkenden Burschen zu bunt. Sechs Burschenschaften hatten von den despolitischen Grundsätzen der DB genug. Sie gründeten 1995 in Hannover den Dachverband "Neue Deutsche Burschenschaft", die auf mehr verbindungsinterne Demokratie setzen will. Der neue Verband ist nur noch fakultativ schlagend, lässt auch Ausländer und Zivis zu und setzt auf den Europagedanken. Auch der Konservatismus geht mit der Zeit.


Weiterlesen:


  • Die Corporationen. Handbuch zur Geschichte. Daten, Fakten, Personen. Von H. Grimm und L. Besser-Walzel. Frankfurt/M. 1986.
  • Füxe, Burschen, Alte Herren. Studentische Korporationen vom Wartburgfest bis heute. Hrsg. von Ludwig Elm, Dietrich Heither und Gerhard Schäfer. Köln ²1993.
  • Elite sein. Wie und für welche Gesellschaft sozialisiert eine studentische Korporation? von Stephan Peters. Marburg. 2004
  • Text der Fachschaft Germanistik
  • Burschireader der Antifaschistischen Initiative Heidelberg