Semesterticket

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Hinweis: Dieser Artikel stammt so wie er jetzt hier steht aus einer alten Version des Dschungelbuchs und soll nur die Geschichte des Semestertickets darstellen. Stand der Informationen: September 2009


Die Ausgangslage war klar:

Heidelberg erstickt im Verkehr, der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) erscheint nicht attraktiv, das Radwegesystem ist katastrophal.

Nachdem in Darmstadt bereits vor vielen Jahren ein Studiticket realisiert wurde, wurde deutlich, dass mit einem attraktiven Angebot ein starker Umstieg vom Auto (motorisierter Individualverkehr, MIV) auf öffentliche Verkehrsmittel erreicht werden kann. Im Sommer 1991 starteten wir so die Verhandlungen über ein Studiticket in Heidelberg.

Die Anfänge

Semestertickets waren zu dieser Zeit noch völlig neu und es galt, etliche Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Ein Hauptproblem in Heidelberg war auch hier das Fehlen einer verfassten Studierendenschaft. In anderen Hochschulstädten, wie zum Beispiel in Köln, gab es Semestertickets für alle Studierenden. Es war ganz einfach: Zusammen mit dem Sozialbeitrag, der jedes Semester an das Studentenwerk gezahlt wird, bekam der AStA Geld für das Semesterticket. Der Haken an diesem Modell ist, dass damit das Semesterticket zum Studieren einfach dazugehört. Der Studiausweis ist gleichzeitig auch das Semesterticket. Dieses Modell hat allerdings auch einen riesigen Vorteil: Der Verkehrsverbund kann genau planen, welche Einnahmen er zu erwarten hat. Die Semestertickets, die auf diesem Modell basieren, sind immer noch die günstigsten.

In Baden-Württemberg sind Studis so frei, dass sie nicht zum Kauf eines Semestertickets gezwungen werden können. Dieses Modell schied also aus. Ein Semesterticket, das wie alle anderen Zeitkarten einfach so gekauft werden könnte, wäre zu teuer. Wir haben uns in Heidelberg deswegen für einen Mittelweg entschieden: Alle Studierenden zahlen einen Sockelbetrag. Dieser Sockelbetrag ist alleine noch nichts wert, berechtigt aber zum Kauf eines Semesterticket.

Nach über zweijährigen Verhandlungen des Kommunalreferates der FSK wurde das Studiticket Ende 1993 endlich eingeführt und führte mit 17.000 verkauften Tickets zur größten Umstiegsaktion auf den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) in Heidelberg.

Hintergrund: Verhandlungsmarathons

Schon die Verhandlungen bei der Einführung des Semestertickets zogen sich stark in die Länge, da erst Modelldiskussionen geführt und Umfragen gemacht wurden und der Verkehrsverbund (VRN) nur sehr wenig auf uns zuging.

So waren immer wieder neue Vorschläge in der Diskussion: Anfangs wollten wir eine Solidarfinanzierung, in der alle Studierenden 45 DM pro Semester bezahlen und dafür umsonst im gesamten Verbundgebiet fahren können. Lange war ein Mischmodell im Gespräch, dass wenigstens allen Studierenden erlauben sollte, Einzelfahrten zum halben Preis zu machen, falls sie das Semesterticket nicht kaufen würden.

Außerdem war die Diskussion anfangs mit einem Jobticket (für die Beschäftigten der Universität) gekoppelt, das aber schon damals nur über eine schwierig durchsetzbare Parkraumbewirtschaftung zu realisieren gewesen wäre.

Da der VRN aber auf seinem Angebot bestehen blieb und wir nun endlich den Einstieg in den Umstieg schaffen wollten, führten wir Anfang 1993 eine Vollversammlung durch, auf der das VRN-Angebot eine über 95-prozentige Mehrheit bekam. Am 14. Mai 1993 genehmigten die zuständigen Gremien (in Studentenwerk und VRN) schließlich das, von der Uni Heidelberg, der Pädagogischen Hochschule, Fachschaftskonferenz, Studentenwerk und VRN ausgehandelte Modell.

Hiermit sind wir - ganz untypisch für Heidelberg - einmal ganz vorne, denn dies war das erste Semesterticket in Baden-Württemberg und Bayern, also in einem Land ohne Verfasste Studierendenschaft, was die Verhandlungen so schwer machte.

Schon vor der endgültigen Einführung verhandelten wir über Taktverdichtungen bestimmter Linien, was uns die Zusage brachte, die damalige Linie 12 (entspricht heute in etwa den Linien 31 und 32) zwischen Uni im Feld und in der Altstadt auf einen Zehn-Minuten-Takt zu bringen. Nachdem abzusehen war, dass die Verkehrsbetriebe mit dem Ticket einen kräftigen Gewinn machen würden, stellten wir einen Forderungskatalog zusammen, in dem zahlreiche Taktverdichtungen, Schnellbusse und eine Ausweitung im Nachtverkehr detailliert aufgelistet waren; zu einem Preis von rund einer Million DM (nach Angaben der Heidelberger Verkehrsbetriebe).

Demgegenüber standen die Mehreinnahmen des VRN von rund sechs Millionen DM im Jahr 1994. Dadurch, dass im Jahresdurchschnitt rund 16.000 Studierende pro Semester das Ticket kauften, in der Kalkulation aber nur von 4.000 ausgegangen wurde (zur Deckung der Alteinnahmen) kam diese große Gewinnspanne zustande. Die Angebotsverbilligung brachte eine Vervierfachung der Nutzerzahlen. Doch angesichts der schönen Zahlen stand es dem VRN nicht nach Nahverkehrsausbau (denn der kostet ja bekanntermaßen Geld), sondern danach, seinen Haushalt etwas zu sanieren. Und wenn wir schon sechs Millionen zuviel bezahlen, dann geht auch noch etwas mehr. Der VRN beschloss zum Wintersemester 1994 eine Erhöhung des Grundbetrages um eine DM - ohne, dass die Vertragspartner davon unterrichtet wurden. Mensch stellte uns außerdem vor die Wahl die Verteuerung ohne Verbesserungen anzunehmen oder eben auf das Ticket zu verzichten.

Nach harten Verhandlungen und unter der Drohung, aus dem Angebot auszusteigen, nahm der VRN schließlich die Preiserhöhung in der Form zurück, dem Studentenwerk und der Universität jeweils 30.000 DM zurückzuüberweisen. Ein Teil dieser Studentenwerksgelder fließt in die Fahrradwerkstatt URRmEL (→ URRmEL - die Fahrradwerkstatt), mit den Mitteln der Universität wurde ein 70-seitiges Konzept zur Parkraumbewirtschaftung finanziert, dass - vom Kommunalreferat erarbeitet – lange landespolitische Wellen schlug.

Für das Wintersemester 1996/97 war der Vertrag vom VRN aufgekündigt worden, um eine Preiserhöhung einzuführen und gleichzeitig neue Vertragsbedingungen auszuhandeln. Dabei sollte auch die Absprache bei Preiserhöhungen mit den Studis wegfallen und die Preise automatisch zu VRN-Bedingungen erhöht werden. Dazu lief zur Einschreibung des Sommersemester 1996 eine Meinungsumfrage, ob diese Bedingungen akzeptiert werden sollen oder ob an den alten Forderungen festgehalten werden soll, unter der Gefahr, dass das Studiticket nicht mehr weitergeführt werden würde. Die Ergebnisse waren eindeutig: Der Vertrag sollte nur weitergeführt werden, wenn der Preis nicht automatisch erhöht werden kann. Der VRN ging (notgedrungen) darauf ein. Mit einer Preiserhöhung auf 105 DM zeigten sich die Studierenden einverstanden. Mit dem neuen Vertrag wurden auch die gestellten Forderungen betont.

Die nächste Kündigung des Vertrags erfolgte 1999. Jetzt gab sich der VRN nicht mehr mit einfachen Preiserhöhungen zufrieden, sondern hatte es auf den Grundbetrag abgesehen. Dieser sollte jetzt jedes Jahr um ein paar Mark steigen dürfen; eine jährliche Erhöhung des Ticketpreises war auch vorgesehen. In Verhandlungen, die sich über ein Jahr hinzogen wurde ein neuer Vertrag mit dem VRN erreicht. Der Grundbetrag lag bei 22 DM, der Verkaufspreis bei 120 DM. Angebotsverbesserungen konnten nicht erreicht werden.

Neuere Geschichte

Ab dem Wintersemester 2002/03 hat sich am Heidelberger Semesterticket einiges geändert. Die ständig vom VRN geforderten Erhöhungen des Grundbetrags haben dazu geführt, dass eine Schieflage entstanden ist. Auch aufgrund eines höheren Verkaufspreises wurden immer weniger Tickets verkauft. So wurde der Anteil des Grundbetrags an der Finanzierung des Semestertickets immer höher. In den letzten Verhandlungen zum Semesterticket hat sich die Fachschaftskonferenz - zuletzt erfolgreich - dafür eingesetzt, dass auch der Grundbetrag teilweise für einen Fahrausweis reicht. Das neue Semesterticket sah für eine Probezeit von einem Jahr so aus:

  • Alle Studierenden zahlten einen Grundbetrag von 17 Euro. Dieser Grundbetrag berechtigte wie bisher zum Kauf eines Tickets. Darüber hinaus galt ab dem Wintersemester 2002 der Studiausweis als Fahrausweis in Heidelberg und den benachbarten Waben wie unter anderem Eppelheim oder Dossenheim.
  • Mit dem Studiausweis und 69 Euro konnte man sich das eigentliche Semesterticket kaufen. Für dieses galten die gleichen Bedingungen wie bisher.

Dieses vergnügen hielt aber nicht lange an. Im Wintersemester 2003/04 kostete das Ticket schon 74 Euro und der Sockelbeitrag für Heidelberg lag bei 18,50 Euro. Der VRN kündigte den Vertrag aufs Neue auf und eröffnete die Verhandlungen, die sich bis an den Anfang des Wintersemesters 2004/05 gezogen haben. Das Anfangsangebot des Verbundes war recht unverschämt: sie forderten eine jährliche Preissteigerung mit dem Ziel, im Wintersemester 2008/09 das Ticket für 145 Euro verkaufen zu können. Das ging der FSK natürlich gegen den Strich und es gründete sich wieder ein Arbeitskreis Semesterticket. Dieses Mal koordinierten wir uns mit den benachbarten Hochschulen um einheitliche Positionen bei den Verhandlungen zu erzielen. Obwohl es unterschiedliche Ausgangspositionen gab (nur wir haben das Nachtticket), war die Zusammenarbeit erfolgreich. Wir starteten eine Umfrage in den verschieden Hochschulen, die ergab: die meisten Studis sind nicht bereit mehr als 100 Euro für das Ticket zu bezahlen. Nach dieser schmerzlichen Grenze ist der Anteil derer, die auf andere Beförderungsmöglichkeiten umsteigen, erheblich.

Die Verhandlungen waren hart, der Verbund bewegte sich in seiner Position kaum, drohte mit der Taktik "Friss oder Stirb". Dennoch konnte einiges erreicht werden. Das Ticket soll nun 120 Euro im Wintersemester 2008/09 kosten. Der Sockelbeitrag wird um weitere 1,50 Euro angehoben. Das Nachtticket bleibt für Heidelberg erhalten und es gibt eine Sonderkündigungsklausel. Sollte der Anteil der Studis, die das Semesterticket kaufen, unter 50 Prozent geraten, kann der Vertrag aufgekündigt werden und es müsste neu verhandelt werden.

Dabei wollten wir aber nicht stehen bleiben: Um das Neuenheimer Feld langfristig autofrei zu bekommen, entwarfen wir ein Verkehrskonzept für die Universität Heidelberg mit den Komponenten Jobticket (für die Beschäftigten), Parkraumbewirtschaftung, Radwegeanbindung und Ausbau des ÖPNV. Außerdem wollen wir die Gewinne der Verkehrsunternehmen (VRN), die aus dem Verkauf des Semestertickets resultieren, für diesen ÖPNV-Ausbau verwenden, wobei die Widerstände des VRN dagegen sehr groß sind und der Gemeinderat sich gänzlich heraushält.

Aktuell

Das Semesterticket kostet nun alle Studierenden - egal ob es gekauft wird oder nicht - 20 Euro pro Halbjahr, die zusammen mit Verwaltungsgebühr (Uni), Studiengebühren (Uni) und Sozialbeitrag (Studentenwerk) überwiesen werden sollen. Dies ist der Sockelbetrag, der für die eigentlichen NutzerInnen dann das noch relativ günstige Angebot ermöglicht, für 110 Euro im Semester ein Ticket zu kaufen, das im ganzen VRN-Bereich ein halbes Jahr lang gültig ist. Von diesem Sockelbeitrag sind 5 Euro ein Sonderbeitrag, welches den Heidelbergern Studis, die kein Semesterticket kaufen, es ermöglicht ab 19 Uhr mit dem Studentenausweis kostenlos in Heidelberg zu fahren. ErstsemesterInnen sei gesagt, dass das VRN-Gebiet so groß ist, dass ihr euch sonstwo im Umland ein Zimmer suchen könnt. Es wird sicherlich innerhalb des VRN liegen (Umkreis von 30 bis 50 Kilometer).

  • Um das Ticket zu kaufen, braucht ihr euern Studiausweis und 110 Euro
  • Kaufen könnt ihr das Ticket am Infocenter des Studentenwerks am Uniplatz, dem RNV-Kundencenter am Bismarckplatz.
  • Es ist gültig für alle Busse, Straßenbahnen, Züge (auch die der Deutschen Bahn, außer Eurocitys, ICs, ICEs).
  • Das Ticket gilt auch für Fahrten aus dem Verbundgebiet heraus (kostenlos bis zu den Verbundgrenzen).
  • Und weitere Informationen, sowie Fahrplanauskunft, gibt es im Internet unter vrn.de und rnv-online.de.

Bei allen Verhandlungen und Diskussionen rund um das Thema Semesterticket war von Anfang an die Fachschaftskonferenz beteiligt. Immer wenn neue Probleme auftauchten setzte sich sehr schnell ein Arbeitskreis zusammen. Und auch zu Ruhezeiten ist dieser Arbeitskreis - zwar ohne Treffen – per E-Mail zu erreichen: semtech@fsk.uni-heidelberg.de

Seit dem Wintersemester 1997/ 98 bieten VRN und KVV (Karlsruher Verkehrs-Verbund) Studierenden, die in beiden Bereichen den ÖPNV nutzen wollen die Möglichkeit, das jeweils andere Semesterticket ebenfalls zu erwerben. Um in Karlsruhe Bahn zu fahren, zahlt Ihr dann den dortigen Sockelbetrag und den normalen Ticketpreis. Gekauft werden kann das KVV-Ticket an den Verkaufsstellen des KVV unter Vorlage des Heidelberger Studierendenausweises. Ihr müsst bei jeder Fahrt zwischen den Gebieten von VRN und KVV beide Tickets dabeihaben, eines reicht nicht. Umgekehrt können auch Karlsruher Studierende das VRN-Ticket erwerben.

Seit Herbst 2008 verhandeln die FSK und das Studentenwerk mit dem VRN über einen neuen Vertrag. Die FSK als studentische Vertretung bei den Verhandlungen fordert ein Ende der enormen Preissteigerungen, um auch in Zukunft mit dem Semesterticket ein günstiges Nahverkehrsangebot zu gewährleisten. Da der VRN jedoch weiter an Preissteigerungen von rund zehn Prozent pro Jahr festhalten will, stand und steht das Semesterticket vor dem Aus. Nur ein Einlenken in letzter Minute seitens des VRN hat einen Übergangsvertrag im Wintersemester 2009/10 möglich gemacht. Massiver Druck seitens der Medien, des Rektorates und der Stadt Heidelberg hat dazu geführt, dass die bereits beendeten Verhandlungen wieder aufgenommen worden sind. Bis Ende Oktober müssen sich die Verhandlungsparteien auf einen neuen Vertrag einigen, andernfalls ist das Semesterticket tot.

Die FSK und das Studentenwerk versuchen für die Studierenden ein bestmögliches Ticket zu erreichen. Dies bedeutet nicht, dass diese einem inakzeptablen Vertrag zustimmen werden, an den die Studierenden die nächsten fünf Jahre gebunden sind. Selbstverständlich wird dabei aber der Tatsache Rechnung getragen, dass ein Großteil der Studierenden auf den ÖPNV angewiesen ist.

Heidelberg ist eine eher kleine übersichtliche Stadt, in der alle Weg bequem mit dem Fahrrad erledigt werden können - meist sogar schneller als mit Bus und Bahn. Dank der milden Temperaturen ist dies auch im Winter durchaus möglich. Wenn ihr in Heidelberg selbst wohnt ist daher gut zu überlegen, ob sich ein Semesterticket lohnt oder man wie viele Andere das Fahrrad nutzt.

Parkraumbewirtschaftung im Neuenheimer Feld

Nach jahrelangen Streitigkeiten auf Landesebene wurde die Parkraumbewirtschaftung tatsächlich im Oktober 2007 in die Tat umgesetzt und die existierenden Schrankenanlagen in Betrieb genommen. Durch die dadurch entstehenden Einnahmen konnte für die Beschäftigten endlich das Jobticket teilfinanziert und eingeführt werden. Wenn ihr als Studi ein Dauerparkticket möchtet, kostet euch das momentan 20 Euro pro Monat. Um eine Chance auf eine solche Berechtigung zu haben, müsst ihr ein Formular ausfüllen und einreichen, welches ihr unter folgender Adresse abrufen könnt: http://www.zuv.uni-heidelberg.de/bau/parkraum/index.html

Die weitere Entwicklung wird von uns genau beobachtet werden, vor allem weil wir der VRN mit Einführung des Jobtickets die Anbindung des Neuenheimer Feldes nur sehr mäßig verbessert hat.