Politik auf die Straße tragen

Aus Das Dschungelbuch - bis 2021
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Politik und die Vertretung von Studi-Interessen findet nicht nur in Gremien, Parlamenten und Institutionen statt. Vielmehr ist die gesamte Öffentlichkeit ein Ort politischer Auseinandersetzung. Deshalb ist es nicht selten lohnend - gerade wenn die sonstigen politischen Wege versperrt sind - die politische Auseinandersetzung auf die Straße zu tragen. Bestes Beispiel hierfür ist der Bildungsstreik von 2009: damals gingen 270.000 Studierende bundesweit auf die Straße. In der Folge wurde nach und nach die Studiengebühren in allen Bundesländern abgeschafft.

Die Möglichkeiten Politik auf die Straße zu tragen ist groß: sie reicht von dem nur wenige Minuten dauernden Flashmob, wofür man teils nicht mehr braucht als eine zündende Idee und eine Hand voll Leute bis hin zu ausgedehnten Aktionstagen mit dem klassischen Abschluss einer stundenlangen Großdemonstration, wo dann schon mal Zehntausende auf die Straße gehen. Wenn sie auch weiterhin stark umstritten sind, bilden zudem auch Aktionen zivilen Ungehorsams ein immer stärker akzeptiertes Mittel der Politik. Die bekannteste Form davon ist die Sitzblockade. Ihr solltet immer überlegen, welches Bild ihr mit euren Aktionen auf der Straße vermitteln wollt und welches durch spezifische Aktionen vermittelt wird. Nicht jede Aktion passt zu jedem Thema.

Ein Beispiel: Bei vielen Demonstrationen ist es üblichen die Protestierenden komplett mit Warnwesten auszustatten. Diese haben einen auffälligen und alarmistischen Charakter. Studi-Proteste, die komplett mit Warnwesten ausgestattet werden, können jedoch oft unpassend sein. Warnwesten haben einen uniformierenden Charakter. Der Protestblock erscheint dann einheilich. Studis sind jedoch vielfältig. Von Presse und Öffentlichkeit wird daher auch erwartet, dass Studi-Proteste bunt und kreativ wirken. Dann wirken sie besonders authentisch. Intelligente und freche Protestslogans auf Plakaten sind hier also vielleicht passender als ein einheitliches Fahnenmeer und Warnwesten.

Ein noch deutlicheres Beispiel: bei Großdemonstrationen ist es üblich geworden, dass sich stets einige dutzend Demonstrierende als Clowns verkleiden. Diese Aktionsform, die unter dem Begriff "Clowns-Army" firmiert, sorgt fast stets für gute Pressebilder - und das ist ja schließlich, worauf viele Proteste erstmal unmittelbar abzielen. Wollt ihr allerdings eine Gedenkaktion, etwa für die im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge organisieren, solltet ihr tunlichst darauf verzichten, euch als Clowns zu verkleiden. Dies würde die Inszenierung - und das ist jede öffentliche Aktion immer auch ein Stück weit - nur zerstören. Schwarz- und Grautöne sind hier hingegen angebracht.


Flashmobs

Flashmobs sind spontane Menschenansammlungen im öffentlichen Raum, von sich häufig nicht oder nur kaum kennenden Personen. Ein Flashmob ist oft nicht mit explizitem Inhalt oder einer politischen Botschaft verbunden. Bekannt sind auch Flashmobs, wo verschiedene Personen beispielsweise in einem Kaufhaus zu singen anfangen oder eine riesige Kissenschlacht auf der Kölner Domplatte veranstalten. Sie sind aber auch sehr wohl dazu geeignet Botschaften mit ihnen zu verknüpfen, etwa bei einer sogenannten Critical Mass, wenn dutzende Personen sich zu einer Fahrradfahrt-Demo verabreden, um so als Verkehrsteilnehmer auf dem Drahtesel Präsenz zu zeigen und etwa für einen besseren Ausbau der Fahrradverkehrswege einzutreten. Alle Flashmobs sind dabei zueigen, dass sie den Alltag durchbrechen. Während Kundgbebungen und Demonstrationen häufig immer gleich aussehen und daurch sowohl für Teilnehmende als auch die (un-)interessierte Öffentlichkeit etwas ritualartigen Charakter annehmen können, darf das bei Flashmobs nie passieren, wenn sie ihre Wirkung erzielen sollen. Dementsprechend vielseitig sind auch die Möglichkeiten, was bei einem Flashmob getan wird.


Kundgebungen

Eine Kundgebung ist ein bisschen wie die kleine Schwester der Demonstration. Während eine Demonstration einen Menschenzug gewöhnlich durch eine Stadt meint, ist eine Kundgebung rein stationär. Menschen versammeln sich an einem Platz und verharren dort. Es werden Redebeiträge gehalten, Plakate hochgehalten und Flyer verteilt. Das ganze dauert eine halbe bis zwei Stunden und ist dann auch wieder vorbei. Eine Kundgebung ist mit noch recht geringem Aufwand durchzuführen. Sie muss mindestens 48 Stunden im voraus beim Ordnungsamt der Stadt angemeldet werden.

Zu dem Verfahren ist zu sagen, dass ihr bei der Versammlungsanmeldung nicht als Bittsteller gegenüber dem Amt auftreten müsst. Eine Versammlung anzumelden ist vielmehr euer grundgesetzlich geschütztes Recht. Wenn ihr eine Versammlung anmeldet wollt, dann macht ihr das einfach und bittet nicht darum. Ihr solltet die Versammlungsanmeldung aber auch nicht auf die leichte Schulter nehmen: Macht euch zuvor bereits Gedanken über den genauen Termin, Größe, Gestalt und Thema/Anlass eurer Kundgebung.


Demonstrationen

Demonstrationen sind die klassische und wohl auch bekannteste Form von Politik auf der Straße: Ein Menschenzug zieht sich durch die Straßen einer Stadt. Zwischendurch bleibt die Menschenmenge immer wieder stehen, um sich Redebeiträge anzuhören. Flyer werden verteilt. Oft gibt es noch Demonstrationswagen auf denen die Redner*innen stehen und die Lautsprecheranlagen angebracht sind. Wenn die Redner*innen gerade nicht sprechen, ertönt aus der Lautsprecheranlage oft Musik. Beim Laufen werden oft kollektiv thematisch passende Demosprüche gerufen.

Demonstration ist nicht gleich Demonstration. Abhängig davon, welche Musik gespielt wird, wie sich die Demonstrierenden kleiden, was auf Transparenten und Plakaten gemalt oder geschrieben steht und vielem mehr kann eine Demonstration bunt, kämpferisch, heiter oder ernst erscheinen. Wenn ihr eine Demonstration organisiert, solltet ihr vorher wissen, welchen Eindruck ihr mit der Demonstration erwecken wollt. Passt euer Erscheinungsbild diesem gewünschten Eindruck an.

Vollständig werden ihr das Erscheinungbild der Demonstration, aber nie kontrollieren können. Zu einer Demonstration kann nämlich jeder kommen, der mag. Gerade bei größeren Demonstrationen werden Personen auch Plakate mitbringen oder Slogans rufen, die ihr vielleicht nicht passend findet oder die ihr sogar ablehnt. Bis zu einem gewissen Grad müsst ihr das tolerieren. Allerdings dürft ihr euch auch nicht davor scheuen, Teilnehmer*innen aus Demonstration auszuschließen, wenn gegen den meist im Aufruf zur Demonstration enthaltenen Grundkonsens der Demonstration verstoßen wird. Mischen sich etwas Neonazis unter eine Demonstration für Weltoffenheit ist es eure Pflicht als Versammlungsleiter zusammen mit euren vor der Demonstration bestimmten Ordner*innen diese aus dem Demonstrationszug auszuschließen. Alles andere würde die Außenwahrnehmung und das Ziel der Demonstration massiv gefährden.

Bei der Anmeldung der Demonstration solltet ihr über Folgendes auf alle Fälle mindestens Angaben machen:

  • Ort
  • Datum
  • Beginn der Demo und voraussichtliches Ende
  • Thema der Demo
  • Veranstalter (Name, Anschrift, Telefonnummer, ggfs. E-Mail-Adresse)
  • Versammlungsleiter (Name, Anschrift, Telefonnummer, ggfs. E-Mail-Adresse)
  • Wegstrecke der Demo
  • geschätzte Teilnehmerzahl
  • Einsatz und Anzahl von Ordnern


Ziviler Ungehorsam

Ziviler Ungehorsam - soviel vorweg - meint keine Gewalt. Dennoch bewegt man sich hier auf einem schmalen Grat, der durchaus auch mal zu leichtem Gerangel mit der Polizei oder Kontakt mit der Justiz führen kann. Das ist sicher die Ausnahme, dennoch sind solche Konsequenzen möglich. Wer sich an Aktionen zivilen Ungehorsams beteiligen möchte sollte dies bewusst sein. Situationen können sich hier auch mal anders entwickeln als man es selbst erwartet. Es gilt sich nicht nur auf einen vorgestellten Idealfall, sondern auch auf potentielle Eventualitäten vorzubereiten. Das heißt im ersten Schritt sich vorher genau zu überlegen, was man tun möchte, wozu man nur eventuell bereit ist und was man mit Sicherheit gar nicht tun wird. Wenn man es weiß, gilt es sich entsprechend vorzubereiten. Das fängt damit an sich einen Rucksack mit allem Notwendigen zu packen. Wenn ihr etwa im Winter im Freien an einer Sitzblockade teilnehmen wollt, dann passt auf, dass ihr ein Sitzkissen und genug warme Kleidung einpackt. Auch solltet ihr euch für die Dauer der Demonstration mit Personen in sogeannten Bezugsgruppen zusammenschließen, die ein ähnliches Aktionslevel wie ihr selbst haben, d.h. die ähnliche Dinge wie ihr selbst tun wollen. Vorbereitungen zu zivlem Ungehorsam können auch eine recht ausgedehnte Form annehmen. In sogenannten "Aktionstrainings", die zwischen zwei Stunden und zwei Tagen dauern können, könnt ihr euch von ausgebildeten Aktionstrainern auf Aktionen zivilen Ungehorsams vorbereiten lassen. Im Vorfeld von massenhaften Aktionen zivilen Ungehorsams gibt es oft auch Aktions- oder Bezugsgruppenreader, in denen ihr zum Thema zivilen Ungehorsam noch weit mehr Informationen findet als an dieser Stelle. Wegen des eventuellen Kontakts mit der Polizei - auch wenn dieser völlig unverschuldet geschieht - sollte man seine Rechte kennen. Hier findet ihr dazu einige Informationen.

Aktionen zivilen Ungehorsams finden häufig im Rahmen größerer Demonstrationen wie etwa Bildungsstreiks statt. Sie bilden dann ein Element einer größeren Protestchoreographie. Die häufigste Form sind Sitzblockaden. Weitere Formen sind etwa kurzfristige symbolische Gebäude- oder Ämterbesetzungen, das Stören des Straßenverkehrs oder auch nur die Missachtung rassistischer Regelungen in Apartheidsstaaten, wie etwa das dunkelhäutige Menschen nur hinten im Bus sitzen dürfen.

Wenn ihr Aktionen zivilen Ungehorsams organisieren wollt und nicht nur an ihnen teilnehmen möchtet, dann solltet ihr bereits selbst an solchen Aktionen teilgenommen haben. Außerdem ist es gerade bei größere Aktionen sinnvoll, in einem Aktionskonsens im Vorfeld schriftlich festzuhalten, was getan werden soll und wo die Grenzen liegen. Dieser Aktionskonsens muss dann allen potentiell Teilnehmenden der Aktion zugänglich gemacht werden.